03.10.2004:
Frankfurt: Westen muss Vorurteile über den Islam aufgeben
Forscher rufen bei der Buchmesse zur differenzierten Sicht auf
Der Westen muss nach Ansicht von Friedensforschern und Politikwissenschaftlern seine Feindbilder über den Islam aufgeben, um eine Annäherung der beiden Kulturen zu erreichen. Ein intensiverer Dialog sei nur nach einer genaueren Betrachtung der arabischen Welt möglich, lautete ein Fazit des am Sonntag beendeten Symposiums «Orient und Okzident - Ein neuer Anfang» anlässlich der Buchmesse in Frankfurt. Bei der Bücherschau ist in diesem Jahr die arabische Welt Ehrengast. Man könne nicht von einer in sich geschlossenen islamischen Welt ausgehen. «Es gibt keinen monolithischen Islam», meinte Jamal Malik, Professor für Islamwissenschaft an der Universität Bonn. Es gelte, den Islam in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu betrachten.
Der Vorsitzende der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient, Günter Meyer, rief dazu auf, öffentlich gegen bestehende Klischees anzukämpfen. «Der Dialog muss da anfangen, wo Vorstellungen verwaltet werden, die unsere muslimischen Mitbürger an die Wand drängen.» Auch müssten Vorurteile zerstört werden, die nach den Terroranschlägen des 11. Septembers entstanden seien.
Der Frankfurter Friedensforscher Ernst-Otto Czempiel zählte dazu den Umstand, dass der Islam als Geburtsstätte des Terrorismus gelte. Er rief zu einer differenzierteren Betrachtung auf. Die in erster Linie von der US-amerikanischen Regierung vertretene Darstellung, wonach die kulturell-religiösen Unterschiede der westlichen und arabischen Welt den weltweiten Terror verursachten, sei falsch, sagte der Mitbegründer der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. «Der Verweis auf religiösen Fundamentalismus dient lediglich dazu, die politische Ursachenforschung vom Tisch zu schieben.»
Moderne Religionen seien gegen Gewalt gerichtet. Der weltweite Terror könne daher erst besiegt werden, wenn die politischen Hintergründe erforscht und beseitigt seien. Indem die westliche Welt die politischen Ursachen verleugne, entziehe sie sich der selbstkritischen Frage, ob das eigene Verhalten nicht auch dazu beitrage, dem Terrorismus eine Grundlage zu geben. «Wenn die Vereinigten Staaten nicht den Krieg gegen den Irak geschürt hätten, wäre zwar Saddam Hussein noch an der Macht, es gäbe aber wahrscheinlich keinen Widerstand und damit keinen Terror», meinte er.